Sehnsucht nach Entschleunigung
Eine mögliche Erklärung dafür, warum uns die Filme von Laurel & Hardy noch heute in ihren Bann ziehen, liegt in unserer scheinbar hyperbeschleunigten Welt. Es ist eine Zeit, in der der Tag zwar immer noch 24 Stunden umfasst. Aber niemand hat mehr Zeit oder traut sich zuzugeben, über solche zu verfügen. Zeit für Kommunikation scheint dennoch vorhanden, wird jedoch für den nicht selten inhaltsfreien Austausch im Sekundentakt über soziale Netzwerke und Messenger investiert. Die Beschäftigung mit einer Materie über längere Zeit? Reiner Luxus! Im gleichen Zeitraum kann man sich dank moderner Technik mit dem Hundertfachen beschäftigen. Und warum eine gut formulierte, wertschätzende Nachricht an einen guten Freund schreiben, wenn ich in kürzerer Zeit eine Kurzfassung gleich über meinen planetarischen Verteiler senden kann? Für Momente des Innehaltens, des Müßiggangs, der aufrichtigen Wertschätzung und des Bewusstwerdens scheint nicht mehr viel Platz in dieser Welt.
Schauen wir Stan & Ollie auch deshalb so gerne zu, weil wir bei ihnen diese Momente noch vorfinden? Lieben wir deshalb Ollies hilflosen Blick in die Kamera, Stans rätselndes In-sich-gehen, James Finlaysons Double Take oder Charlie Halls Ausdruck, wenn er sich die Reste der Sahnetorte langsam vom Kopf streift?
Auch wenn man das Medium Film im Laufe der Zeit betrachtet, wirken die Streifen von Laurel & Hardy deutlich entspannter und ruhiger. Die Kamera-, Dreh- und Schnitttechnik hat mit der Zeit Methoden entwickelt, um in Filmen quasi eine Illusion von Inhalt, Action und Spannung zu vermitteln. Dem menschlichen Auge wird keine Sekunde der Entspannung mehr gegönnt. Alles im Sinne einer Wirkung, die weg will von Gemächlichkeit, die mit Stillstand gleichgesetzt wird. Das scheint zur oben angedeuteten Entwicklung in einer hyperbeschleunigten Welt zu passen. Erinnern wir uns im Übrigen, was von den hyperbeschleunigten Wesen in der Raumschiff-Enterprise-Folge "Was summt denn da?" zu vernehmen ist: nur noch ein hochfrequentes Summen. Es wäre zu wünschen, dass die Menschen auch unserer Zeit mehr Spuren hinterlassen.
In diesem Sinne ist das bis heute nicht erloschene Interesse an den Filmen von Laurel & Hardy eine hoffnungsvolle Botschaft.